Unsere Klimaforscher sind weltweit führend

Bundesforschungsministerin Johanna Wanka im Interview über gerechte Regeln für den Klimaschutz, die Förderaktivitäten des Bundesforschungsministeriums und darüber, wie andere Staaten von der Energiewende in Deutschland profitieren können.

Welche Erwartungen haben Sie an die Pariser Klimakonferenz?

Wir alle sehen und erleben, dass der Klimawandel erste Folgen zeigt. Im Westen der USA herrscht Dürre, die Gletscher in den Alpen schmelzen. Die Eismassen an den Polen werden kleiner. Deshalb erwarte ich, dass sich alle Länder bereit erklären, ihren Treibhausgasausstoß zu verringern. Damit wird es aber nicht getan sein. Wir brauchen auch internationale Zusammenarbeit, wenn es um die Folgen des Klimawandels geht.  In Paris müssen gerechte Regeln für Klimaschutz und Anpassung gefunden werden. Vor allem die ärmsten Länder der Welt sind häufig besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen und benötigen Unterstützung. Das sind für mich die zentralen Punkte für Paris.

Was trägt die deutsche Forschung dazu bei?

Unsere Klimaforscher sind weltweit führend. Die Wissenschaft trägt dazu bei, zu verstehen, wie der Klimawandel entsteht und vor allem welche Folgen er hat. Jetzt geht es darum, auch Lösungsmöglichkeiten für die zu erwartenden Probleme zu finden. Also wie man auch mit deutlich weniger Kohle, Öl und Gas eine Industriegesellschaft sicher mit Energie versorgen kann.

Können Sie das konkretisieren?

Wichtig ist mir, dass die Ergebnisse der Forschung dort ankommen, wo die Entscheidungen zum Umgang mit dem Klimawandel getroffen werden. Das gilt in der nationalen und internationalen Klimapolitik. Aber auch für Stadtverwaltungen, Behörden und Unternehmen sowie für jeden einzelnen Bürger. Politik und Gesellschaft müssen in der Lage sein, rasch und flexibel auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren. Nötig sind Innovationen, die den Umbau zu einer klimafreundlichen Gesellschaft beschleunigen. Hierauf ist unser neues Rahmenprogramm „Forschung für nachhaltige Entwicklung“ ausgerichtet.

Wie nimmt Deutschland seine globale Verantwortung wahr?

Wir fördern viele Projekte, in denen Wissenschaftler aus Entwicklungs- und Schwellenländern gemeinsam mit deutschen Wissenschaftlern Strategien für die Bewältigung des Klimawandels entwickeln.

Ein Beispiel dafür sind unsere Kompetenzzentren für Klimawandel und angepasstes Landmanagement im südlichen und westlichen Afrika, SASSCAL und WASCAL. Afrika ist vom Klimawandel besonders betroffen und braucht belastbares Wissen, um die richtigen Entscheidungen etwa im Hinblick auf Landnutzung und Wasserversorgung treffen zu können. Von 2010 bis 2017 werden wir daher insgesamt bis zu 100 Millionen Euro in die Forschungsinfrastruktur und konkrete Forschungsprojekte mit afrikanischen Partnern investieren. So unterstützen wir auch die Ausbildung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir wollen damit Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs in deren Heimatländern schaffen. Die Programme sind deshalb langfristig ausgerichtet, um notwendige Kompetenzen vor Ort zu stärken.

Auch unsere Aktivitäten im Bereich nachhaltige Urbanisierung sind gute Beispiele. Bis zu 80 Prozent der weltweit genutzten Energie und Ressourcen wird in urbanen Räumen verbraucht, und mehr als Dreiviertel der globalen Emissionen werden dort erzeugt. Daher fördern wir in den Maßnahmen „Forschung für die nachhaltige Entwicklung der Megastädte von morgen“ und “Rapid Planing” seit vielen Jahren Ansätze, die die Emissionen mindern und schnell wachsende Städte widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels machen sollen.

Deutschland plant die Energiewende. Was trägt die Wissenschaft dazu bei?

Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt, und nur als solches wird sie gelingen. Deshalb werden wir nun die Wissenschaft systematisch mit der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft zusammenbringen. Wir haben dazu eine neue Projektform entwickelt, die Kopernikus-Projekte. Die Kopernikus-Projekte sind unsere wichtigste Forschungsinitiative zur Energiewende. Allein der Name unterstreicht: Die vor uns liegende Aufgabe erfordert einen Paradigmenwechsel. Wir wollen eine neue Form der Zusammenarbeit aller Akteure, die die Energiewende möglich machen. Der Wissenschaft kommt hier zusätzlich die Verantwortung zu, eng mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten und die Zivilgesellschaft von Beginn an in die Projektentwicklung einzubinden, damit neue Energiesysteme von den Bürgerinnen und Bürgern auch angenommen werden.

Neu ist auch die langfristige Ausrichtung der Projekte. Die Kopernikus-Projekte sind insgesamt auf eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren ausgelegt. Technische Entwicklungen aus den Projekten können damit aus der Laborphase herauskommen und im großen Maßstab getestet werden. Das ist in dieser Form einzigartig.

Was kann ein Erfolg der Energiewende international bewirken?

Bei der Energiewende geht es nicht nur darum, dem Klimawandel wirkungsvoll zu begegnen, sondern auch die Versorgungssicherheit zu akzeptablen Preisen zu gewährleisten. Wenn uns das gelingt, können andere Staaten davon profitieren und die Energiewende zu einem großen Exporterfolg werden. Sie könnte sich international als Leitbild für den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung etablieren. Dafür müssen wir aber zunächst in Deutschland unsere Hausaufgaben erledigen und die Energiewende, auch zusammen mit unseren Nachbarstaaten, zum Erfolg führen. Erfolge verbreiten sich schnell. So können wir bei den wichtigen Industrienationen Impulse setzen.

Das Zwei-Grad-Ziel ist nur noch schwer zu erreichen. Benötigen wir ein realistischeres Ziel für den Klimaschutz?

Nein, das benötigen wir nicht. Die Wissenschaft hat mit den IPCC-Berichten eine eindeutige Botschaft ausgesendet: Wenn wir zügig und gemeinsam agieren, bleiben Klimaschutz und Anpassung bezahlbar und die meisten Klimafolgen voraussichtlich beherrschbar. Demnach ist es nicht die Frage, ob sondern wie wir die globale Erwärmung auf zwei Grad begrenzen können. Deutschland stellt sich der Verantwortung. In Paris müssen aber alle Länder aktiv in den Klimaschutz eingebunden werden.

Wir investieren in die Forschung, weil wir an die Zukunft glauben! Ich habe großes Vertrauen in die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft und bin überzeugt, dass wir gemeinsam unsere Klimaziele erreichen werden.